Leica M10 - 10 Jahre digitale Leica M


Warum kaufst du heute noch eine Digitalkamera die keinen Autofokus besitzt?

Das würde mich vermutlich mein Vater fragen. Meine erste Leica konnte ich für 10 Minuten schon im Jahre 2003 in der Hand halten. Damals verkaufte mein Vater die Leica M6 meines Großvaters mit einem mir unbekannten Summicron Objektiv, um mir mit dem Geld den Kauf einer der ersten digitalen Spiegelreflexkameras zu ermöglichen. Ich selbst hatte keine Ahnung, dass man das Teil vielleicht lieber behalten hätte. Zumindest das ominöse Summicron Objektiv, dessen genaue Daten ich mir leider nicht gemerkt habe. Es war vermutlich ein 35mm oder 50mm. Mein Großvater ist mit der Kamera durch Südostasien gereist, sie war aber noch sehr gut in Schuss.

[Am Ende dieses Artikels erstelle ich eine Auflistung mit positiven und negativen / verbesserungswürdigen Punkten der Leica M10. Diese wird regelmäßig aktualisiert.]



2011 kaufte ich mir nach einer 1,5 Jahre währenden fotografischen Krise meine eigene Leica. Eine digitale Leica M8. Zum damaligen Zeitpunkt das bald 6 Jahre alte Vorgängermodell der damals aktuellen Leica M9.

Die Leica M8 war ein Sonderling. Ihr Bildsensor lag von der Größe zwischen dem heute gängigen APS-C und Vollformat. Das nannte sich APS-H und ich kannte es schon von der Canon EOS 1D Serie. 10 Megapixel und CCD Sensor versprachen keine großen Reserven beim Ausschnittvergrößern, dafür reichte aber immerhin der rauschfreie ISO Bereich bis ISO 400 oder ISO 640 *Ironie*.

Tatsächlich ist Leica damals ein Fehler unterlaufen, da sie das Infrarotfilterglas zu dünn konzipiert hatten. Das brachte zwar Unmengen an Bildschärfe, dafür sah manch schwarzes Kleidungsstück im Bild am Ende lilafarben aus. Es gab relativ schnell zwei kostenlose IR-Cut Filter zum Aufschrauben auf das Objektiv hinzu, was das Problem behob und die Kamera wieder vollends nutzbar mache.

Ich erinnere mich noch, wie ich dem lieben Herrn Olaf Wolf von Leica mein Leid mit dem Bildrauschen bei höheren ISO-Empfindlichkeiten klagte und er mich dankenswerterweise auf Adobe Lightroom hinwies, dessen Rauschreduzierung die Leica sogar bis ISO 1600 nutzbar machte.

Ich habe diese Leica etwa 2 Jahre später wieder fast zu meinem damaligen Kaufpreis weiterverkauft. Vermutlich funktioniert sie heute noch.

Die Leica M9 habe ich ausgelassen, da mich vor allem das schlechte Display enttäuscht hat, das Leica bis zuletzt auch noch der Leica M-E gegönnt hat. Ich verstehe, dass echte Leica Enthusiasten kein Display brauchen (Siehe Leica M-D). Dafür erwarte ich aber schon etwas nutzbares wenn man eins einbaut. Nach 3-4 Jahren hätte es bestimmt eine bessere Alternative gegeben.

In den letzten Jahren haben mich dann eher die analogen Leicas gereizt. Eine Kamera, die wie ein Uhrwerk funktioniert. Notfalls auch ohne Batterie. Faszinierend. Die Leica MP ist wahrscheinlich der Traum eines jeden Leica Analogfotografen.

Letztes Jahr habe ich dann für gutes Geld eine aktuelle Leica M (Typ 240) erstanden. Nach 3 Jahren wieder eine digitale Leica Kamera. Die M Typ 240 wurde als die bis dato beste digitale Leica M angepriesen und damit haben sie natürlich irgendwo auch recht. Ich habe mich über den CMOS-Sensor und Liveview sehr gefreut, weil man so auch außergewöhnliche Objektive nutzen konnte, ohne für jedes einen eigenen externen Sucher kaufen zu müssen. Die Videofunktion fanden andere Fotografen ganz hilfreich, auch wenn nicht unbedingt konkurrenzfähig. Das bessere und vor allem größere Display ist auch nach 3 Jahren nicht in dem Maße als veraltet anzusehen, wie das der Leica M8 oder M9 und ihrer Abkömmlinge. Den Wegfall der durch natürliches Licht beleuchteten Sucherrahmen empfand ich als gute Idee. Den Wegfall des Sucherrahmen-Wählhebels dagegen nicht. Ein großes Plus war auch der für eine Digitalkamera relativ üppig dimensionierte Akku.

Leica M (Typ 240) links oben, Leica M10 rechts unten
Im Februar 2017 konnten mit der Vorstellung der neuen Leica M10 die Herzen aller Leicanutzer wieder höher schlagen. Diejenigen, die die Kamera nur als hochwertiges Schmuckstück sehen konnten aufatmen, da die neue Kamera etwas weniger sperrig geworden ist. Die Fotografen erfreuen sich an einer umfangreichen Überarbeitung der durchaus erfolgreichen M Typ 240 mit der rund um den Globus herum in den letzten Jahren bereits hervorragende Arbeiten geschaffen wurden.

Für mich als Brillenträger ist der überarbeitete optische Sucher der wichtigste Pluspunkt der neuen Leica M10. Endlich hört mein Blick in den Sucher nicht mehr bei einer unvollständigen Ansicht der 35mm Leuchtrahmen auf, sondern bietet wieder etwas Sicht darüber hinaus. Natürlich muss man Abstriche machen, wenn man nicht mit bloßem Auge durch den hellen und großen Sucher blickt. Trotzdem hätte ich mir dieses Update schon früher gewünscht.

Leica M (Typ 240) oben, Leica M10 unten


Alle die seit der Leica M8 darüber klagen, dass die digitalen Leica M Kameras immer dicker als ihre analogen Pendants sind, können sich darüber freuen dass sich die neue Leica M10 merklich dünner anfühlt und in etwa der Dicke einer Leica M7 entspricht. In der Höhe hat sie immer noch ein paar Millimeter mehr. Gelitten hat dafür die Batteriegröße. Das dürfte aber in Anbetracht von weiterhin ausreichender Kapazität und Ersatzakkus kein dramatischer Verlust sein.

Der 35mm Vollformat Bildsensor unterscheidet sich angeblich sogar vom in der Leica SL und Leica Q verbauten Exemplar. Ich kann nur bestätigen dass der Dynamikumfang merklich zugenommen hat und dass jetzt auch ISO 6400 sehr gut nutzbar ist.

Der Verschlussmechanismus wurde auch überarbeitet. Das Geräusch wurde subjektiv empfunden verkürzt und ist etwas leiser.

Leica M10 links unten, Leica M (Typ 240) rechts oben


In Sachen Bedienung wurde die Zahl der Knöpfe reduziert, was auch einem Verlust an Funktionen gegenüber der M Typ 240 geschuldet ist. Zum Beispiel kein Video mehr. Dazu wurde das Menüsystem insgesamt überarbeitet.

Vom ersten Eindruck her fühlt sich die neue Kamera bei Benutzung sehr gut an. Alles ist dort wo man es braucht. Das ISO Wahlrad ist Geschmacksache. Es sieht gut aus. Die herkömmliche Methode funktioniert aber auch.

Kommen wir zur Gretchenfrage. Lohnt sich ein Umstieg wirklich?

Viele Tester enthalten sich bei dieser Frage gerne und verweisen auf die persönliche Meinung ihrer Leser, Zuhörer und Zuschauer. Ich persönlich würde die Entscheidung so versuchen zu vereinfachen:

- Wenn man nicht weiß ob eine Leica M das Richtige für einen ist, dann leiht man sich lieber vorab eine beim Leica-Händler des Vertrauens. Man merkt ziemlich schnell ob einem die Nutzung gefällt oder nicht. Zum Angucken oder als Schmuckstück sind die Kameras in meinen Augen zu teuer und zu schade.

- Reicht das Budget gerade so, dann sollte man sich auf dem Analogmarkt oder bei einer Leica M8 umsehen. Deren Wert ist seit Jahren in einem Preisbereich stabil und man verliert im Zweifel beim Verkauf nicht allzu viel Geld.

- Möchte man etwas mehr oder ist Fan von Vollformat, CCD-Bildsensoren und kann mit den Abstrichen der Leica M9 leben, der findet in dieser Preisklasse das beste Modell. Die Sensorkorrosion wird durch Austausch seitens Leica erfolgreich bekämpft und ermöglicht einen kostenfreien Service der Kamera, was auch einiges Wert ist, wenn man ein Exemplar mit dem alten Sensor ergattert. Vom Leistungsumfang her bietet die Leica M9 alles was man braucht. Spaß für längere Zeit inklusive.

- Alle die in der Leica M eine moderne Digitalkamera sehen, für die es aber nicht jede x-beliebige Digitalkamera sein darf, finden mit der Leica M (Typ 240) eine moderne Leica M mit einem Sensor der hervorragende Bildqualität und gute Manipulierbarkeit der Bilddateien ermöglicht. Für den aktuellen Preis auf dem Gebrauchtmarkt ist, wenn man sich das leisten mag, sicher ein gutes Angebot zu ergattern mit dem man noch viele Jahre Spaß haben kann.

- Wer wirklich das Neuste haben möchte, es sich gerade leisten kann oder bestimmte Einschränkungen bei der Nutzung nicht so leicht hinnehmen möchte (Brillenträger), für den bietet die Leica M10 die aktuell beste digitale Leica M mit Farbbildsensor, die der Hersteller im Programm hat. Ich persönlich hätte mir inzwischen ernsthaft überlegt die M Typ 240 ersatzlos zu verkaufen, weil mich die ungelöste Brillenproblematik seit Jahren frustriert. Kontaktlinsen kommen für mich leider nicht in Frage. Korrekturlinsen finde ich gewöhnungsbedürftig, weil ich dann auf dem anderen ungenutzten Auge nichts mehr sehe.

Ich hätte, wie viele andere nichts dagegen, wenn diese Kamera nur die Hälfte kosten würde und diesen Traum kann man sich in ein paar Jahren, wie beim aktuellen Vorgängermodell auch erfüllen. Sofern die Abstriche des Gebrauchtkaufs kein Ausschlusskriterium sind. Wenn man aber die neue Leica M10 haben möchte, führt aktuell nichts an einem großen Loch im Portemonnaie vorbei. Damit muss man Leben.

Ein Trost bleibt: Mit anderen Kameras kann man auch gute Fotos machen und ein Smart, Dacia, Polo oder Clio bringt einen auch sicher von A nach B. Der berühmte Mont-Blanc Kugelschreiber bleibt ein Kugelschreiber und wer mit dem Ferrari im Stau steht ist auch nicht schneller.

Ich muss anerkennend anmerken dass mir die Leica M8 wieder dazu verholfen hat Spaß am Fotografieren zu haben.

Dieser Bericht in nächster Zeit mit Eindrücken ergänzt, die ich sammeln werde. Positives und Negatives (Letztes Update 03.02.2017):

Positiv:

+ Man merkt dieser Kamera an, dass sie eine digitale Leica M ist, die sich auf dem aktuellen Stand der Technik befindet. Mit der M Typ 240 hatte ich immer das Gefühl das mich die Kamera beim fotografieren ausbremst. Die Leica M10 reagiert verzögerungsfrei und man bekommt das Gefühl das die Kamera viel mehr mitarbeitet und einen nicht behindert.

+ Ich konnte heute bei Leica den aktuellen Visoflex EVF ausprobieren. Dieser gefällt mir auch deutlich besser als der Vorgänger. Er bietet jetzt auch ein GPS-Modul.

+ Der Liveview-Modus wurde umfangreich überarbeitet. Selektive Ausschnittsvergrößerung statt nicht verschiebbarer Lupenfunktion in der Bildmitte bei der Leica M Typ 240. Deutlich reduzierte Auslöseverzögerung. Verbessertes Fokus-Peaking mit dem das Fokussieren im kritischen Bereich deutlich vereinfacht wird. 

+ Der erprobte aber vor allem im Sommer auf bloßer Haut äußerst unbequeme Trageriemen wurde durch einen neuen klassischen Trageriemen in Lederoptik ersetzt. Vom Geruch her ist es kein echtes Leder, aber ich lasse mich gerne korrigieren.

+ Der Bildfeldwähler zum manuellen Wechseln der Leuchtrahmen im Sucher ist wieder mit an Bord.

+ Langzeitbelichtung jetzt bis 125 Sekunden möglich.

+ Favoritenmenü als erste Seite beim Auswählen der Menü-Taste. Schnellerer Zugriff auf häufig verwendete Funktionen.

+ Schön dass auch wieder ein 12 Volt Autoladeadapter für das Akkuladegerät mit dabei ist.

Negativ / Verbesserungswürdig:

- Leica Visoflex EVF ist zum Listenpreis von 450€ erhältlich. Realistisch ist er höchstens die Hälfte wert. Sollte er den selben Suchereindruck und Auflösung wie die Leica SL bieten, dann wäre ich durchaus bereit einen Preis um 400€ zu zahlen. So bietet er aber subjektiv betrachtet eher eine durchschnittliche Leistung.

- Neues Ladegerät kann die alten Akkus nicht laden und umgekehrt. Ungeschickt für alle die beide Kameras gleichzeitig unterwegs nutzen möchten und jetzt zwei Ladegeräte mitnehmen müssen.

- Leuchtrahmen in Rot nicht mehr verfügbar. Ich empfand in manchen Situationen die roten Leuchtrahmen praktischer. Bei der Mamiya 7II gab es gelbe Leuchtrahmen, die ich gefühlt den weißen Rahmen der Mamiya 7 vorgezogen habe.

- Keine elektronische Wasserwaage mehr im Liveview-Betrieb. Für Architekturaufnahmen und Landschaft war das bei der Leica M (Typ 240) ganz hilfreich.

- Früher gab es eine Volllizenz von Adobe Lightroom mit dazu (Wert ca. 120€). Der Preis ist gleich geblieben aber es reicht nur noch für eine 90 Tage Testversion. Die Option auf ein Jahresabo Creative Cloud PS+LR wäre ganz ordentlich, zumindest wenn man keinen eigenen Bildentwickler mitliefert.

Beispielbilder (Letztes Update 04.02.2017):



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